Perincioli, Cristina
Biografie
Cristina Perincioli wird am 11. November 1946 als Tochter des Bildhauers Marcel Perincioli und der Kunsthandweberin Hélène Perincioli (geborene Jörns) in Bern geboren. Sie ist die Enkelin des Bildhauers Etienne Perincioli. Nach dem Abitur tritt sie in den Armeefilmdienst ein.
1968 geht Perincioli nach West-Berlin und ist ab 1969 aktiv bei der Zeitschrift „Agit 883" — einem Gegenblatt zur Springer-Presse und Plattform des linken, anarchistischen und subkulturellen West-Berlins.
Sie studiert von 1968 bis 1971 an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb), an der sie Dokumentarfilme dreht, die von der 68er Bewegung motiviert sind, darunter MIETERSOLIDARITÄT (1970) mit Max Willutzki und KREUZBERG GEHÖRT UNS (1972) mit Klaus Bartels. Gemeinsam mit Gisela Tuchtenhagen, ihrer Kommilitonin aus der Gruppe Wochenschau, dreht sie 1969 eine Dokumentation über ein besetztes katholisches Studentenheim (WOCHENSCHAU III). Der Film erhält bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen den Filmpreis des Landes Nordrhein-Westfalen. Ihr Abschlussfilm FÜR FRAUEN. 1. KAPITEL (1971) thematisiert einen Frauenstreik und gilt als einer der ersten „Frauenfilme“ der Zeit. Er wird in Oberhausen mit dem Ersten Preis der Arbeitsgemeinschaft der Filmjournalisten ausgezeichnet.
1972 zählt sie zu den Mitgründerinnen der Lesbenbewegung und 1973 zu den Initiatorinnen des ersten Frauenzentrums in der Hornstraße 2 in Berlin-Kreuzberg sowie 1977 des ersten Frauen-Notrufs in Deutschland. Gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Cäcilia Rentmeister schreibt sie 1975 das Drehbuch für einen Spielfilm über eine lesbische Beziehung: ANNA UND EDITH (ZDF 1975) ist der erste Spielfilm, der mit dieser Thematik im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wird. 1977 gründet Perincioli die Sphinx Filmproduktion mit Marianne Gassner als Produktionsleiterin. Für das ZDF entsteht die Dokufiction DIE MACHT DER MÄNNER IST DIE GEDULD DER FRAUEN (1978), die auch im Kino sowie international aufgeführt wird.
Ab den 1970er Jahren publiziert Cristina Perincioli auch als Hörfunk- und Buchautorin und trägt damit — angeregt durch Recherchen in London und Harrisburg (Pennsylvania/USA) — zur öffentlichen Debatte und Bewusstseinsbildung über häusliche Gewalt sowie die Folgen eines Atomunfalls bei. Es erscheinen „Gewalt in der Ehe" (Berlin 1980), das von Sarah Haffner herausgegebenen wird und „Die Frauen von Harrisburg" (Reinbek 1980).
1992 entwickelt Perincioli ein erstes Adventure mit interaktivem Video, das 1993 auf der InterAktiva präsentiert wird. Sie gestaltet sieben Computerspiele für den öffentlichen Raum, darunter „Laut ist out", „Ach die paar Tropfen", „Kulturtester Rebellion" und „Weiblich, männlich ― und dazwischen". Gemeinsam mit Cäcilia Rentmeister verfasst Perincioli ein Kompendium zu den Themen Computergrafik und Computermusik („Auge & Ohr — Computer und Kreativität", Köln 1990).
Sie lehrt an verschiedenen Instituten: Regie am Kenya Institute of Mass Communication (KIMC) in Nairobi und an der Hochschule der Künste in Berlin (HdK) sowie Computeranimation an der dffb, der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg (HFF), der Merz Akademie — Hochschule für Gestaltung Stuttgart und an den Schulen für Gestaltung in Bern (SFGB) und Basel (SFGBB).
Ab Ende der 1990er Jahre entwickelt Cristina Perincioli für „heikle Themen“ wie sexuelle und häusliche Gewalt preisgekrönte Webplattformen für Fortbildung, Opferhilfe und Prävention. Realisieren kann sie diese durch die Förderung unterschiedlicher Institutionen (Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Stiftung Deutsche Jugendmarke, Daphne-Programm der Europäischen Kommission, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend — BMFSFJ).
2015 erscheint Perinciolis Buch „Berlin wird feministisch. Das Beste, was von der 68er Bewegung blieb". Am Beispiel Berlins beschreibt sie die furiosen Jahre der Neuen Frauen- und Lesbenbewegung von 1968 bis 1974 und lässt 28 weitere Akteurinnen zu Wort kommen. Sie zeigt, wie sich die Modernisierung der Gesellschaft „von unten“ vollzog und nennt Autonomie und Basisdemokratie als Voraussetzungen. In einer einstündigen Reportage von Vera Block im rbb-Rundfunk (2015) führt Perincioli die kaum bekannte Tatsache an, dass unter anderem Anarchismus eine nicht zu unterschätzende Vorbedingung für die autonome Frauenbewegung darstellte. Einige Kapitel ihre Buches widmet Perincioli den damaligen Kämpfen an der dffb: „Die 68er Bewegung von unten betrachtet", „Katerstimmung", „Warum so große Wut?" und lässt in „Stadtteilarbeit und Frauenfilm" miterleben, wie 1971 einer der ersten „Frauenfilme“ entstand.
Cristina Perincioli lebt und arbeitet in Berlin.
Credits & Rollen
Weitere Namen
- Cristina Perincioli
Beruf
- Produzentin
- Autorin
- Regisseurin
Tätigkeiten
- Studium:
- Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin GmbHdffb-Jahrgang 1968